Willehalm im Streit mit den 15 Könige von Cod
(aus einem mittelalterlichen Manuskript)
EINFÜHRUNG
Dieser
Aufruf wurde in die Zürcher Zeitschrift “Die Literarische Tat” vom 12.
März 1976 von deren Redaktor, dem renommierten Schriftsteller, Journalisten und
Politiker Erwin Jaeckle publiziert, der mit verschiedene Auszeichnungen honoriert
wurde, u.a. dem Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis (1958), dem Bodensee-Literaturpreis der Stadt
Überlingen (1977) und dem Mozart-Preis der Goethe-Stiftung Basel (1986). Ich
habe kurz vor seinem Tod in Jahre 1986 eine kurze Unterredung mit ihm gehabt,
wobei er mir versicherte, dass ich in meinem Bemühen damals das Werk von Werner Greub
zu fördern in Zusammenahg mt der Jubiläum-Ausstellung "200 Jahre Ermitage in Arlesheim" in dem Ortsmuseum Trotte, wo erstmals auf das Werk von Greub hingewiesen wurde, mich auf seinem Namen berufen konnte. Soweit ich weiß, hat sich der
Stand der Forschung bezüglich das Werk von Werner Greub aber seitdem nicht
merklich geändert. Auch hat der Herausgeber dieses 1. Band einer Gralstrilogie
von Zarathustra bis Rudolf Steiner, das Goetheanum, Freie Hochschule für
Geisteswissenschaft in Dornach bis jetzt nichts unternommen um die Hoffnung
dessen damaligen ersten Vorsitzenden Rudolf Grosse zu erfüllen, dieses Werk möge „zu einem
gründlichen wissenschaftlichen Gespräch führen.“ Wohl ist der 2. Band dieser
Gralstrilogie im Jahre 2003 von seinem Sohn Markus Greub post-mortem im Selbstverlag
herausgegeben unter dem Titel Vom Parzival zur
Rudolf Steiners Wissenschaft vom Gral, mit darin ein Kapitell, wo der Autor
sich mit seinen Kritikern gründlich auseinandersetzt in dem was er sogar einen „Gralskrieg
um das Goetheanum“ nennt. In die Einführungen meiner englischen Übersetzung seines Erstwerkes How the Grail Sites Were Found –
Wolfram von Eschenbach as a Historian (erschienen als Buchausgabe im
Jahre 2013 im Verlag Willehalm Institut, Amsterdam) und
die der holländischen Übersetzung Willem van Oranje, Parzival en de Graal –
Wolfram von Eschenbach als een Historicus (2009 erschienen ebenfalls im
Verlag Willehalm Institut) bin ich näher auf diesen „Gralskrieg“ eingegangen. 2004
erschien dann der 3. Band Erwachen an
Goethe.
Dieser Aufruf, vorangegangen
durch das Zum Geleit, geschrieben vom selben Autor am 24. März 1976, wird hier zur Verfügung gestellt anlässlich
der vom Willehalm Institut für Gralsforschung in Amsterdam und dem Lichteurythmie Ensemble Arlesheim geplanter
Pfingsttagung 2018 in Istein und Arlesheim unter dem Titel „Die Arlesheimer Ermitage
als Gralsgebiet und ihr historisches Gegenbild auf dem Isteiner Klotz“. Beide
Texte wurden erstmals publiziert in der Herausgabe als Manuskript von Willehalm -Kyot – Der Gewährsmann Wolframs
von Eschenbach (ISBN 90-73932-01-7) von
Werner Greub durch das Willehalm Institut im Jahre
1991 mit einer Dokumentation zur Vorgeschichte dieser Publikation. (RJK)
ZUM GELEIT
Bevor ich 1967 in
Stuttgart meine Botschaft der
Sternstrasse veröffentliche, habe ich mich ein Leben lang mit Wolfram von
Eschenbach beschäftigt und mich seiner Welt in Rahmen anderer
mittelhochdeutscher Studien versichert. Ich hab dabei immer die gängige Lösung
der Kyotfrage bezweifelt, weil man mit einem „fiktiven Gewährsmann“ des Märchens“den
strengen sittlichen Gehalt des Parzival-Sakraments verschattet, indem mam den
Dichter ausweichende, ja verschmitzte Motive der Legimitation oder aber einen
völlig unzeitgemässen Kunstgriff zumutet. Eine Fiktion ähnlicher Art gibt dem
dichterischen Auftrag jener Zeit eine Stellung, die nach der Renaissance und späteren Originalitätsbegriffen allenfalls
verständlich wäre. Sie widerspricht aber dem mittelalterlichen
„Tugendensystem“und dem Range der Dichtkunst in ihm zutiefst. Leider konnte ich
meine Vermutung anderer Arbeitslasten wegen nicht durch eine umfängliche
Untersuchung erhärten. Dass sich die Wissenschaft auf Grund der Forschungen
Greubs dessen annehme wollte ich mit einem Aufruf in die Literarische Tat vom
12. März 1976 erreichen. Dieser sei hier überzeugt wiederholt, weil Werner
Greub seine Anliege mit ebenso großer Überzeugungskraft wie bescheiden werbend
vorträgt. Beidem hätte man ritterlich Rechnung tragen. Greub will nicht
behaupten, sondern mitarbeiten. Ihn anzuhören, gereichte der Wissenschaft zur
Ehre.
HERAUSFORDERUNG
ZUR GEMEINSCHAFTSARBEIT
Ej. Man kenn der
Stand der Forschung, die sich außerhalb inhaltlicher vorab sprachkritische
Mittel bediente. Wolfram von Eschenbach, der über vierzigtausend Verse
gedichtet hat, ist neben Liedern der Verfasser dreier Epen. Sie werden heute
unter Berichtigung der Folge, wie sie der Herausgeber der ersten kritischer
Ausgabe, Karl Lachmann, 1833 gesehen hat, zeitlich vom Parzival – nach 1200, 1203 und 1204 – über den Willehalm – 1212 bis 1217 – zum Titurel
– nach 1217 – hin geordnet, wobei man zugesteht, dass die Arbeit am Parzival zu Teilen über verschiedene
Fassungen und Zeitgeschichten hin gediehen ist.
Joachim Bumke,
der sich mit allen Fragen (Stuttgart 1964) erneut beschäftigte, musste
zugestehn, dass vor allem über der Abklärung der Überlieferung ein Unstern
gestanden habe. Dennoch wird als
gesichert angenommen, dass der Textüberlieferung mit dem unvollendet geblieben Conte du Graal von Chrestien de
Troyes und der Estoire dou Graal von Robert de Boron begonnen habe. Obzwar Wolfram
von Eschenbach sich auf einen unbekannten Kyot als Gewährmann berufen habe,
müsse als seine Hauptquelle Chrestien gelten. Wörtliche Berührungen – sie
können selbstverständlich auch einer gemeinsamen dritte Vorlage entstammen,
meinen wir – stellten die direkte Abhängigkeit sicher. Das schließe eine große
Selbstständigkeit des Bayern nicht aus.
Diese betreffe vorab den Gral selbst, dann aber dessen Verbindung mit
den neutralen Engeln, der heidnischen Astronomie und die
Verwandschaftsverhältnisse.
Die neuere
Artusforschung wirft zu Recht ein, dass Wolfram zu einer vor-Chretienschen
Parzival-Gral Überlieferung gehabt habe.
Orientalische Quellen können für manche Stellen nicht ausgeschlossen
werden. Auffallend sei die stattliche Reihe echter orientalischer Ortsnamen im
Parzival und die Tatsache, dass Wolfram offensichtlich mit den politischen
Konstellationen im Orient vertraut ar. Zudem können lateinische Quellen
nachgewiesen werden. Auch wenn sich Wolfram auf seinem Gewährsmann Kyot berufe,
sei gewiss, dass der Conte du Graal
als Hauptquelle bezeichnet werden müsse; Wolframs Berufung verdiene kein
Vertrauen, sie gehöre ins Reich der Fabel. Auch wenn man die Frage einer
Gral-Sonderquelle offen lasse, habe sich die Wolfram der berufung ledilich
bedient, um seiner ãventiure Glaubwürdig zu machen.
Das meiste von
all dem wird von Werner Greub in seiner umfänglichen Arbeit Wolfram von Eschenbach und die Wirklichkeit es
Grals mit so dichten und klugen Gedankengängen bestritten, ja evident
berichtigt, dass die zünftige Forschung auf ihre Schlüsse zurückzukommen hätte.
Das berechtigte Ansinnen stößt auf die fleißige Intelligenz von drei oder vier
Lehrgenerationen, so dass eine Versteifung der erarbeiteten Haltung vorauszusehen
ist. Man müsste dabei allerdings
hellhörig miterwägen, dass ein Forscher wie Wilhelm Wackernagel (1806-1869)
geneigt was, Kyot für den nordfranzösischer Dichter Guiot de Provins zu nehmen.
Paperlapapp meint allerdings die Forschung dazu. Das habe zur Voraussetzung,
dass es eine zweite Quelle gegeben habe, sei der Gewährsmann aber fingiert, so
bereitet die Erklärung weiniger Schwierigkeiten. Die Schwierigkeiten werden so
zum Argument erhoben! Wolfram habe auch den Vater Sigunes, den Herzog von
Katelangen, erfunden.
Werner Greub
behauptet dagegen, dass der Willehalm mit der Herzog von Katelangen identisch
sei, und er belegt seinen Gedankengang auf jede Weise, auch sprachlich. Wenn es
ihm aber gelingt, den Herzog Kyot von Katelangen historisch glaubhaft zu
machen, müsse man die Grafe nach den anderen Kyot, dem Gewährsmann, doch wohl
erneut überprüfen. Greub versteht Kyot von Katelangen als Kyot den Provenzal,
den er mit Willehalm identifiziert und damit die Vita Willehalms berichtigt.
Wolframs
Kyot-Willehalm von Katelangen lebte vierhundert Jahre vor dem Dichter. Durch
ihn wäre die Sternweisheit über elf Generationen hinweg in Wolframs Parzival eingegangen. Greub erhärtet
seine Behauptung über hunderte von Seite hin – so glauben wir – schlüssig. Er
tut es, indem er seine Arbeitshypothese umsichtig überprüft und klärend
darlegt.
Für Greub wird
die Willehalm-Dichtung Brücke zum Parzival. Willehal ist mit Kyot von
Katelangen und dem Provenzal identisch. So hätte denn Kyot der Provenzal als
Augenzeuge des grals-Geschehens Wolfram von den Sternständen des 9. Jahrhundert
gezeugt und sie überliefert. Damit verlegt Greub das Grals-Geschehen in jenes
Jahrhundert zurück, und er überprüft seine Thes mittels der
Planetenkonstellationen des Jahres 848, die er errechnet und durch das Luzerner
Planetarium mit Erfolg wiederholen lässt. Er überprüft überdies die Genealogie
der Überlieferungskette jener elf Generationen mit einleuchtendem Ergebnis.
Unter solchen
scharfsinnig und kenntnisreich durchgeführte Voraussetzungen versteht Greub
Wolfram über den großen Dichter hinaus als traditionsgetreuer Historiker. Er nimmet ihn deshalb auch in seinen
geographischen Angaben ernst, die er mit gesunder Überlegung und genauem Zirkel
angeht. Es gelingt ich, die frühen Gralsorte, die man aus einer anderen
Gralstradition heraus nach Sudfrankreich und in spätere Zeit verlegte, in der
Oberrheingegend zwischen Arlesheim und Colmar anzusiedeln.
Auch hier
überraschen die Ergebnisse: Munsalvaesche, die Gralsburg, wird südöstlich von Arlesheim
auf den jurassischen Hornikopf verlegt, die Klause, der Sigune, die Höhlen des
Trevrizent, sowie weitere gralsorte werden neu sichtbar.
Fasst man die
Ergebnisse Werner Greubs zusammen, so geben diese anhand der historischen
Quellen des Wolframschen Parzivals vom planetarisch ermittelten Datum der Gralskönigschaft
her eine Fülle vielfältig abgesicherter
weiterer Daten und zugleich die Örtlichkeiten der Gralsgeschichte, von denen Wolfram
berichtet.
Eine Provokation solcher
Art dürfte eine Wissenschaft, die sich bisher lediglich der VermUtungen
bediente, nicht unbeachtet lassen. Die Ergebnisse Werner Greubs müssen von Germanisten, Romanisten, Keltologen, Geographen, Geologen,
Astronomen, Archäologen überprüft werden. Der Anlass lohnte.
Das Forschungsergebnis
Greubs nimmt Wolfram von Eschenbach vorab als Geschichtsschreiber. Es verlegt
das Gralsgeschehen ins 9. Jahrhundert zurück, datiert die Ereignisse und gibt
ihn Ort. Kyot, der Provenzal erweist sich so als Autor der durch Wolfram ins
Mittelhochdeutsche übergenommenen Epen. Er ist Zeitgenosse, Augenzeuge,
Mitgestalter der Ereignisse. Es gelingt Greub, selbst die Frage zu klären, warum
der Gewährsmann, der „meister wol bekannt“, nicht mehr bekannt ist, und er
vermag ferner die dreifache Konjunktion von Saturn und Jupiter im Sternbild der
Fische des Gralsjahres 848 als jene der drei Könige über der Krippe des Jahres
7. v.Chr. zu erkennen. All dies so fabelhaft, wie es fabelhaft ist. Man nehme
diese Anzeige, die so reiche Beweisketten und ihre Triangulation nicht zu
wiederholen vermag, als Herausforderung zur Gemeinschaftsarbeit, die aber aller
Polemik vorn die Sache zu fördern hätte.
Werner Greub: Wolfram von Eschenbach und die Wirklichkeit
des Grals, Philosophisch-Anthroposophischer Verlag. Dornach-Schweiz 1974.
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